Forschungsbereich Geschichte und Ethik in der Medizin
Kooperierende Personen und Institutionen - Überregional

 

Akira Hashimoto
Dept. for Social Welfare
Universität der Präfektur Aichi
Aichi, Japan

ist Kooperationspartner im Projekt ASIEN 1 des Forschungsbereichs

ist Kooperationspartner im DFG-Projekt MU 1804/1-2

 

Projekt ASIEN 1

Die Forschungskooperation bezieht sich thematisch auf das Feld der Geschichte der Medizin, und hier insbesondere auf den internationalen Wissenstransfer zur medizinischen Disziplin der Psychiatrie. Japan und Deutschland stellen in Bezug auf das späte 19. und 20. Jahrhundert nicht allein ein interessantes Beispiel für einen systematischen internationalen Vergleich dar, sondern eignen sich aufgrund der engen wissenschaftlichen Beziehungen — weit über die Medizin hinaus — auch als Raum zur Analyse sog. transnationaler Wissens- bzw. Wissenschaftstransfers. Besonderes Interesse fanden in der Medizin u.a. theoretische Krankheitskonzepte, apparative Diagnostik, architektonische und infrastrukturelle Konzepte oder curriculare Entwicklungen. Im Bereich der klinischen Psychiatrie interessierten sich japanische Ärzte u.a. für die deutschen Debatten um die Versorgung psychisch Kranker. Besonderes Interesse fand eine traditionelle westeuropäische Versorgungsform in der Medizin, deren gegenwärtige Praktik hierzulande forciert wird (jedoch häufig in Unkenntnis ihrer Geschichte und Verkennung ihrer Ursprungsform). In Bezug auf die japanische Rezeption der Debatten um sinnvolle Versorgungskonzepte in der Psychiatrie verdienen die vielfältigen Adaptationen europäischer Modelle an japanische Bedürfnisse besondere Aufmerksamkeit. Im Gewand eines Wissensimports aus dem europäischen Kontext wurden so vor dem Hintergrund der „Modernisierung“ in der Meiji-Ära unter anderem auch innerjapanische Konflikte um divergierende Entwicklungslinien der japanischen Medizin verhandelt.
Konkreter Gegenstand der Kooperation ist die Rezeption des psychiatrischen Versorgungsmodells der Familienpflege in Deutschland und Japan zwischen 1880 und 1939. Bei der Familienpflege handelt es sich um ein ursprünglich in Belgien begründetes Modell psychiatrischer Versorgung. Im Falle des hier behandelten transnationalen Wissenstransfers wurde die Rezeption des Versorgungsmodells seitens der japanischen Akteure im Wesentlichen durch die Rezeption der deutschen Adaptationen des belgischen Ursprungsmodells umgesetzt, also indirekt über einen Mittler. Eine nachhaltige und andauernde Umsetzung und Anwendung des Modells gelang im Verlauf des 20. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Gründen und im Unterschied zu Belgien oder beispielsweise auch Frankreich (wo es bis heute praktiziert wird) in Deutschland nur bis in die späte Weimarer Republik hinein, sowie in Japan bis in die späten 1930er Jahre. Allerdings übernahmen die zugehörigen Institutionen der Familienpflege im japanischen Kontext eine Mittlerfunktion zwischen den Programmen der Vertreter einer traditionellen Heilkunde einerseits und den Akteuren der ‚Modernisierung‘ des Gesundheitswesens nach westlichem Vorbild andererseits.

 

DFG-Projekt MU 1804/1-2 mit dem Titel:

Zu Debatte und Institutionalisierung der psychiatrischen Familienpflege im 19. Jahrhundert. Ein Vergleich der Therapiesysteme Deutschlands und Frankreichs

von Thomas Müller.

Kaum ein Thema wurde in der deutschen Psychiatrie der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts so kontrovers und aggressiv diskutiert wie die Frage der Asylierung. Diese Debatte entflammte mehrmals und war verknüpft mit der Professionalisierung der Psychiatrie. Zentraler Bestandteil dieser Debatte war die Unterbringung psychisch Kranker bei Familien. In Deutschland wie in Frankreich richteten sich die in ähnlichen Phasen auftretenden Debatten am Modell des frühen Vorläufers Gheel im flämischen Belgien aus. Im beantragten Projekt werden anhand eines internationalen Vergleichs zum einen die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede des Diskurses und der institutionellen Umsetzung der psychiatrischen Familienpflege in beiden Ländern herausgearbeitet. Zum anderen wird darüber hinaus auch der wissenschaftliche Transfer zwischen diesen Ländern analysiert. Untersucht wird die Zeit zwischen 1850 und 1914, da dieser Zeitraum die Schwerpunkte der Debatten und wesentlichen Umsetzungsversuche der frühen Entwicklung der Familienpflege umfasst. Mit diesem Projekt wird eine Grundlage für das historische Verständnis der Familienpflege geschaffen, deren moderne Umsetzung hierzulande gegenwärtig stark an Bedeutung gewinnt.

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